Marcel Lefrancq: Unterschied zwischen den Versionen

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Photograph
Photograph
==Lebensdaten==
==Lebensdaten==
vollständig: Marcel G. Lefrancq
(Mons/B 09.10.1916 – 14.11.1974 Vaudignies/B)
(Mons/B 09.10.1916 – 14.11.1974 Vaudignies/B)
==Werdegang==
==Werdegang==
vollständig: Marcel G. Lefrancq
„Dirk Lauwaert: ‚Lefrancq ist ein ernsthafter Surrealist, im scharfen Gegensatz zur prinzipiellen Ernsthaftigkeit Magrittes. Lefrancq spielt nicht, sondern propagiert. Drama der zweiten Generation, der Kriegsgeneration, des wallonischen Surrealismus‘.
 
Marcel G. Lefrancq wurde in Mons geboren, absolvierte eine niederländischsprachige Grundschulausbildung in Boitsfort und studierte anschließend klassische Geisteswissenschaften am Königlichen Athenäum seiner Heimatstadt. 1934 begann er ein Studium „Ingénieur Commercial“ am Institut Warocqué in Mons und besucht außerdem regelmäßig die Akademie der Schönen Künste. Als Fotograf ist er Autodidakt.
 
Seine ersten Fotografien stammen aus dem Jahr 1934, die ersten Collagen aus dem Jahr
1938. Damals arbeitet er für das IRPA (Institut Royal du Patrimoine Artistique), für das er unter anderem Glasfenster und private Kunstsammlungen fotografiert. Von 1937 bis 1938 begann er, eine Rolle im wallonischen Surrealismus zu spielen. Er schließt sich der Gruppe Rupture an. In den (seltenen) Aufnahmen davon erscheint er als stille, zerbrechliche Kraft, zurückgezogen und diskret.
 
Rupture, gegründet 1934, war die erste surrealistische Gruppe in Wallonien und wollte die politischen Ideen ihrer Mitglieder im Kontext des Pariser und Brüsseler Surrealismus fördern. Die Regeln der Gruppe waren streng: Wer Mitglied werden wollte, musste einer sozialistischen, kommunistischen oder anarchistischen Organisation angehören. Doch 1938 scheitert Rupture, genau wie in Paris, an der Meinungsverschiedenheit zwischen Stalinisten und Trotzkisten. Lefrancq würde jedoch einen Entwurf für die zweite Ausgabe des Rupture-Magazins Mauvais Temps liefern.
 
Die Zeitschrift ist nie entstanden, aber seltsamerweise findet sich ein Bild von Lefrancqs Design im Einleitungstext eines der internationalen Referenzkataloge zur modernen Kunst, Westkunst, Zeitgenössische Kunst seit 1939 (1981).
 
1939 kam es zu einer neuen Gruppierung, hauptsächlich um die „Stalinisten“ von Rupture, das Licht die Groupe Surréaliste und Hennegau.
 
Zu den Mitgliedern gehören der Dichter Fernand Dumont, Achille Chavée und Marcel Lefranca, der sich erst jetzt wirklich zu engagieren scheint.
 
Sie treffen sich sehr oft, zeichnen, malen, diskutieren über Politik, Poesie, die Arbeit von Magritte oder de Chirico und vergnügen sich damit, sich über die „peintres pompiers“ lustig zu machen ...
 
1939-1940 gründeten Magritte und Raoul Ubac eine neue Zeitschrift, L'Invention Kollektiv, mit dem Motto: „Surréalismus, pas de politique“.
 
In der ersten Ausgabe finden wir eine Reproduktion einer Collage von Lefrancq, „Qui dort, dine“, und Nummer zwei zeigt sein Foto Aérolithe als Illustration des Gedichts Carte postale von André Breton.
 
Die Zeitschrift wird kriegsbedingt eingestellt. Die Groupe surréaliste en Hennegau wird von der Besatzungsmacht streng überwacht. Lefrancqs Freund Fernand Dumont wird verhaftet und wird das Konzentrationslager Belsen nicht überleben. Lefrancq wird außerdem wegen seiner Mitgliedschaft im Comite des Intellectuels Antifascistes verhaftet und verhört. Nach seiner Freilassung ging er freiwillig ins Exil in die Dordogne, wo er Abbé Breuil traf, den er eine Zeit lang bei seinen Ausgrabungen prähistorischer Stätten unterstützte.
 
Inzwischen war er auch mit Loulou Dieu verheiratet. Kurz nach dem Krieg kam es in Brüssel zu einem Wiedersehen der Surrealisten und Ende 1945 fand in der Galérie des éditions La Boétie eine von René Magritte organisierte Ausstellung statt. Lefrancq zeigt dort 14 Werke. 1946 eröffnete Lefrancq in Mons ein Fotogeschäft, „La Lanterne Magique“.
 
Inzwischen hat Marcel Marien für das amerikanische Magazin View ein Special zum belgischen Surrealismus zusammengestellt, in dem die Hennegau-Gruppe komplett fehlt. Sie brechen mit der Brüsseler Gruppe, wenden sich von Magritte ab und konzentrieren sich mehr auf Frankreich.
 
1947 war Lefrancq Mitunterzeichner des Manifests „La Cause est entendue“ der Groupe Surréaliste Révolutionnaire, die gegen Breton Stellung bezog. Lefrancq wird Mitbegründer und Sekretär einer neuen Gruppe in Mons, Haute Nuit. Mittlerweile ist er auch mit Christian Dotremont befreundet. Lefrancq veröffentlichte Fotografien in der Zeitschrift Cobra und nahm 1950 zusammen mit Raoul Ubac und Roland d'Ursel an der Ausstellung „Les développements de l’œuil" in der Galerie Saint-Laurent in Brüssel teil.
 
In den 1950er und 1960er Jahren verband er seine Tätigkeit als Fotograf hauptsächlich von Porträts und Akten mit dem Vorsitz der Société de Recherches préhistoriques du Hainaut. Er starb 1974 in Vaudignies/Chièvres.


„Assemblagen, Collagen, Aktstudien, Porträts
1982 fand die erste und bisher einzige Retrospektive seines Oeuvres (mit einem Kurzkatalog von Gisele Ollinger-Zinque und Laurent Busine) in Charleroi, Brüssel (P.S.K.) und in Mons statt.


Bedeutender Vertreter des belgischen (bzw. wallonischen) Surrealismus mit loser Verbindung zur internationationalen Künstlergruppe ''Cobra''“ <ref>Zitiert aus: Hans-Michael Koetzle (Hg.), Das Lexikon der Fotografen 1900 bis heute, Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München o. J. (2002), ISBN 3-426-66479-8 </ref>
Einen repräsentativen Überblick über sein fotografisches Oeuvre finden Sie in der Sammlung des Musée de la Photographie in Charleroi, und in den Königlichen Museen der Schönen Künste in Brüssel findet sich ein ansprechendes Beispiel eines seiner seltenen Objekte, „Pierre Sensible“ aus dem Jahr 1938. Eine Skulptur aus Kalksteinblock, in die unter anderem eine Fotolinse und ein Glasauge eingearbeitet wurden. Fast als Rarität kann man in diesem Museum, das ansonsten so gut wie keine fotografischen Werke besitzt, auch Lefrancqs kraftvolle elfteilige Collagenserie „Les our Mois de la bonne Année“ (1939–1945) sehen, eine großartige Orchestrierung filmischer Zitate mit surrealistischem Ton."
<ref>Zitiert aus: Belgische Fotografen 1840-2005, Ausst.-Katalog FotoMuseum Provincie Antwerpen (EE), Antwerpen 2005, ISBN 90-5544-556-8 </ref>
==Literatur==
==Literatur==
Ausst.Kat. "René Magritte und der Surrealismus in Belgien", Hamburg 1982, Ausstellung im Kunstverein und Kunsthaus Hamburg
Ausst.Kat. "René Magritte und der Surrealismus in Belgien", Hamburg 1982, Ausstellung im Kunstverein und Kunsthaus Hamburg
Eduard Jaguer: "Surrealistische Photographie. Zwischen Traum und Wirklichkeit", Köln 1984, DuMont Buchverlag, ISBN 3-7701-1548-1


Hans-Michael Koetzle (Hg.), Das Lexikon der Fotografen 1900 bis heute, Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München o. J. (2002), ISBN 3-426-66479-8
Hans-Michael Koetzle (Hg.), Das Lexikon der Fotografen 1900 bis heute, Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München o. J. (2002), ISBN 3-426-66479-8

Aktuelle Version vom 28. Dezember 2023, 15:08 Uhr

Photograph

Lebensdaten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

vollständig: Marcel G. Lefrancq

(Mons/B 09.10.1916 – 14.11.1974 Vaudignies/B)

Werdegang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Dirk Lauwaert: ‚Lefrancq ist ein ernsthafter Surrealist, im scharfen Gegensatz zur prinzipiellen Ernsthaftigkeit Magrittes. Lefrancq spielt nicht, sondern propagiert. Drama der zweiten Generation, der Kriegsgeneration, des wallonischen Surrealismus‘.

Marcel G. Lefrancq wurde in Mons geboren, absolvierte eine niederländischsprachige Grundschulausbildung in Boitsfort und studierte anschließend klassische Geisteswissenschaften am Königlichen Athenäum seiner Heimatstadt. 1934 begann er ein Studium „Ingénieur Commercial“ am Institut Warocqué in Mons und besucht außerdem regelmäßig die Akademie der Schönen Künste. Als Fotograf ist er Autodidakt.

Seine ersten Fotografien stammen aus dem Jahr 1934, die ersten Collagen aus dem Jahr 1938. Damals arbeitet er für das IRPA (Institut Royal du Patrimoine Artistique), für das er unter anderem Glasfenster und private Kunstsammlungen fotografiert. Von 1937 bis 1938 begann er, eine Rolle im wallonischen Surrealismus zu spielen. Er schließt sich der Gruppe Rupture an. In den (seltenen) Aufnahmen davon erscheint er als stille, zerbrechliche Kraft, zurückgezogen und diskret.

Rupture, gegründet 1934, war die erste surrealistische Gruppe in Wallonien und wollte die politischen Ideen ihrer Mitglieder im Kontext des Pariser und Brüsseler Surrealismus fördern. Die Regeln der Gruppe waren streng: Wer Mitglied werden wollte, musste einer sozialistischen, kommunistischen oder anarchistischen Organisation angehören. Doch 1938 scheitert Rupture, genau wie in Paris, an der Meinungsverschiedenheit zwischen Stalinisten und Trotzkisten. Lefrancq würde jedoch einen Entwurf für die zweite Ausgabe des Rupture-Magazins Mauvais Temps liefern.

Die Zeitschrift ist nie entstanden, aber seltsamerweise findet sich ein Bild von Lefrancqs Design im Einleitungstext eines der internationalen Referenzkataloge zur modernen Kunst, Westkunst, Zeitgenössische Kunst seit 1939 (1981).

1939 kam es zu einer neuen Gruppierung, hauptsächlich um die „Stalinisten“ von Rupture, das Licht die Groupe Surréaliste und Hennegau.

Zu den Mitgliedern gehören der Dichter Fernand Dumont, Achille Chavée und Marcel Lefranca, der sich erst jetzt wirklich zu engagieren scheint.

Sie treffen sich sehr oft, zeichnen, malen, diskutieren über Politik, Poesie, die Arbeit von Magritte oder de Chirico und vergnügen sich damit, sich über die „peintres pompiers“ lustig zu machen ...

1939-1940 gründeten Magritte und Raoul Ubac eine neue Zeitschrift, L'Invention Kollektiv, mit dem Motto: „Surréalismus, pas de politique“.

In der ersten Ausgabe finden wir eine Reproduktion einer Collage von Lefrancq, „Qui dort, dine“, und Nummer zwei zeigt sein Foto Aérolithe als Illustration des Gedichts Carte postale von André Breton.

Die Zeitschrift wird kriegsbedingt eingestellt. Die Groupe surréaliste en Hennegau wird von der Besatzungsmacht streng überwacht. Lefrancqs Freund Fernand Dumont wird verhaftet und wird das Konzentrationslager Belsen nicht überleben. Lefrancq wird außerdem wegen seiner Mitgliedschaft im Comite des Intellectuels Antifascistes verhaftet und verhört. Nach seiner Freilassung ging er freiwillig ins Exil in die Dordogne, wo er Abbé Breuil traf, den er eine Zeit lang bei seinen Ausgrabungen prähistorischer Stätten unterstützte.

Inzwischen war er auch mit Loulou Dieu verheiratet. Kurz nach dem Krieg kam es in Brüssel zu einem Wiedersehen der Surrealisten und Ende 1945 fand in der Galérie des éditions La Boétie eine von René Magritte organisierte Ausstellung statt. Lefrancq zeigt dort 14 Werke. 1946 eröffnete Lefrancq in Mons ein Fotogeschäft, „La Lanterne Magique“.

Inzwischen hat Marcel Marien für das amerikanische Magazin View ein Special zum belgischen Surrealismus zusammengestellt, in dem die Hennegau-Gruppe komplett fehlt. Sie brechen mit der Brüsseler Gruppe, wenden sich von Magritte ab und konzentrieren sich mehr auf Frankreich.

1947 war Lefrancq Mitunterzeichner des Manifests „La Cause est entendue“ der Groupe Surréaliste Révolutionnaire, die gegen Breton Stellung bezog. Lefrancq wird Mitbegründer und Sekretär einer neuen Gruppe in Mons, Haute Nuit. Mittlerweile ist er auch mit Christian Dotremont befreundet. Lefrancq veröffentlichte Fotografien in der Zeitschrift Cobra und nahm 1950 zusammen mit Raoul Ubac und Roland d'Ursel an der Ausstellung „Les développements de l’œuil" in der Galerie Saint-Laurent in Brüssel teil.

In den 1950er und 1960er Jahren verband er seine Tätigkeit als Fotograf hauptsächlich von Porträts und Akten mit dem Vorsitz der Société de Recherches préhistoriques du Hainaut. Er starb 1974 in Vaudignies/Chièvres.

1982 fand die erste und bisher einzige Retrospektive seines Oeuvres (mit einem Kurzkatalog von Gisele Ollinger-Zinque und Laurent Busine) in Charleroi, Brüssel (P.S.K.) und in Mons statt.

Einen repräsentativen Überblick über sein fotografisches Oeuvre finden Sie in der Sammlung des Musée de la Photographie in Charleroi, und in den Königlichen Museen der Schönen Künste in Brüssel findet sich ein ansprechendes Beispiel eines seiner seltenen Objekte, „Pierre Sensible“ aus dem Jahr 1938. Eine Skulptur aus Kalksteinblock, in die unter anderem eine Fotolinse und ein Glasauge eingearbeitet wurden. Fast als Rarität kann man in diesem Museum, das ansonsten so gut wie keine fotografischen Werke besitzt, auch Lefrancqs kraftvolle elfteilige Collagenserie „Les our Mois de la bonne Année“ (1939–1945) sehen, eine großartige Orchestrierung filmischer Zitate mit surrealistischem Ton." [1]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausst.Kat. "René Magritte und der Surrealismus in Belgien", Hamburg 1982, Ausstellung im Kunstverein und Kunsthaus Hamburg

Eduard Jaguer: "Surrealistische Photographie. Zwischen Traum und Wirklichkeit", Köln 1984, DuMont Buchverlag, ISBN 3-7701-1548-1

Hans-Michael Koetzle (Hg.), Das Lexikon der Fotografen 1900 bis heute, Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München o. J. (2002), ISBN 3-426-66479-8

Quelle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Zitiert aus: Belgische Fotografen 1840-2005, Ausst.-Katalog FotoMuseum Provincie Antwerpen (EE), Antwerpen 2005, ISBN 90-5544-556-8

Weitergehende Informationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

http://fr.wikipedia.org/wiki/Marcel_Lefrancq