Charlotte Grünert: Unterschied zwischen den Versionen
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(Ergänzt um biografische Details, NS-Zeit, Verbindung zu Hermann Harz und direkte Quelle aus E-Mail von Konrad Schlude (15.04.2025)) |
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'''Charlotte Grünert''' (*1896 in Meißen; †1979) war eine deutsche Fotografin. Sie zählt zu den bislang wenig erforschten Fotograf*innen mit Verbindung zur NS-Zeit. Frühere Hinweise deuten auf eine Ausbildung oder Tätigkeit am Bauhaus, belegt ist ihre fotografische Arbeit ab 1933 im süddeutschen Raum. | |||
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== Leben und Werk == | |||
==Literatur== | |||
Charlotte Grünert wurde 1896 in Meißen geboren. Über ihre fotografische Ausbildung ist bislang wenig bekannt; einzelne Quellen deuten auf eine Verbindung zum Bauhaus in den frühen 1930er-Jahren hin. Ab 1933 lebte und arbeitete sie in Jestetten (Landkreis Waldshut, Baden-Württemberg). | |||
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Obwohl sie dort in einem vergleichsweise abgelegenen Ort tätig war, existieren von ihr Fotografien, die höchste Kreise des NS-Staates zeigen – darunter eine Aufnahme von '''Hermann Göring''' mit '''Luftwaffengeneral Hans Jeschonnek'''. Der Zugang zu solch exklusiven Motiven erscheint auf den ersten Blick ungewöhnlich. | |||
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Eine mögliche Erklärung liefert ein nach dem Zweiten Weltkrieg von Grünert ausgefülltes Formular: Sie gibt dort an, in den Jahren '''1941 bis 1942 bei dem Frankfurter Fotografen Hermann Harz''' „ausgeholfen“ zu haben. Harz war in dieser Zeit ein bedeutender Fotograf mit ausgezeichneten Kontakten zur NS-Propaganda. | |||
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Prof. Dr. Rolf Sachsse, HBK Saar | == Verbindung zu Hermann Harz == | ||
'''Hermann Harz''' (1906–1988) stammte aus einer traditionsreichen Frankfurter Fotografenfamilie. Er war insbesondere für seine Farbfotografien bekannt und veröffentlichte 1943 den Bildband ''„Das Erlebnis der Reichsautobahn“'', herausgegeben vom '''Reichsministerium Speer'''. Das Werk wurde Albert Speer und dem Andenken an '''Fritz Todt''' gewidmet und zeigt Harz’ privilegierten Zugang zu Propagandamitteln und Machteliten des NS-Staates. | |||
Ein bemerkenswerter Abschnitt des Buches dokumentiert die enge politische Aufladung des Bildwerks: | |||
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„Dem Schöpfer der Reichsautobahnen | |||
Reichsminister Dr. Ing. Fritz Todt | |||
Zum Gedächtnis | |||
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Als Dr. Todt am 4. September 1941 seinen fünfzigsten Geburtstag beging, übergab ihm die Gesamtgefolgschaft der ‚Reichsautobahnen‘ eine Mappe ausgewählter Farbaufnahmen der fertigen Strecken zum Geschenk. Lichtbildmeister Hermann Harz, Frankfurt am Main, hatte sie auf weiten Fahrten an sonnigen Tagen gesammelt, der Dichter Herybert Menzel hatte als Einleitung dazu das Erlebnis der Reichsautobahnen beschrieben. | |||
Die Blätter sind ein Dokument der Dankbarkeit treuer und begeisterter Mitarbeiter am Werk. | |||
Mit Genehmigung der Familie Todt werden sie zum 8. Februar 1943, an dem uns vor einem Jahr durch einen tragischen Unfall Dr. Todt entrissen wurde, dem deutschen Volk übergeben. | |||
ALBERT SPEER“ | |||
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Auch in anderen Publikationen, wie dem Farbbildband ''„Petsamo – Lagoda. Volk und Landschaft zwischen Finnland und Russland“'' (1940), verband Harz ideologische Themen mit fotografischer Innovation. Bereits ab 1936 arbeitete er mit dem Farbfotografie-Verfahren '''Duxochrom''' und stellte ab 1940 öffentlich aus (u. a. im Modeamt der Stadt Frankfurt, Neue Mainzer Straße). | |||
Vor diesem Hintergrund erscheint es plausibel, dass Charlotte Grünert über ihre Tätigkeit bei Harz temporär in Kontakt mit hochrangigen Kreisen kam oder im Rahmen seines Netzwerks entsprechende Aufträge erhielt. | |||
== Werk und Rezeption == | |||
Eine systematische Aufarbeitung von Charlotte Grünerts fotografischem Werk steht bislang aus. Bekannt sind sowohl Porträts als auch dokumentarische Aufnahmen mit teils politisch-propagandistischem Kontext. Ihre Fotografien aus der NS-Zeit werfen Fragen nach Rolle, Auftraggebern und Selbstverständnis auf, die künftig weiter untersucht werden sollten. | |||
== Literatur == | |||
* Albert Speer (Hrsg.): ''Das Erlebnis der Reichsautobahn. Ein Bildwerk von Hermann Harz. Mit einer Einführung von Herybert Menzel.'' Herausgegeben vom Reichsministerium Speer. Verlag D.W. Callwey, München, o. J. [1943]. | |||
* Hermann Harz: ''Petsamo – Lagoda. Volk und Landschaft zwischen Finnland und Russland.'' Farbbildband, 1940. | |||
* Ausstellungshinweis: Erste Farbfotografie-Ausstellung der Welt in Frankfurt am Main. Stadtchronik 11.2.1940, Institut für Stadtgeschichte Frankfurt. [https://www.stadtgeschichte-ffm.de/de/stadtgeschichte/stadtchronik/1940] | |||
== Quellen == | |||
* Prof. Dr. Rolf Sachsse, HBK Saar | |||
* Konrad Schlude, E-Mail an das FotografenWiki vom '''15. April 2025''' | |||
[[Kategorie:Fotografin (20. Jahrhundert)]] | |||
[[Kategorie:Fotograf (Nationalsozialismus)]] | |||
[[Kategorie:Bauhaus]] | |||
[[Kategorie:Geboren 1896]] | |||
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[[Kategorie:Person (Meißen)]] | |||
[[Kategorie:Person (Jestetten)]] | |||
[[Kategorie:Frau]] | |||
Version vom 15. April 2025, 11:36 Uhr
Charlotte Grünert
Charlotte Grünert (*1896 in Meißen; †1979) war eine deutsche Fotografin. Sie zählt zu den bislang wenig erforschten Fotograf*innen mit Verbindung zur NS-Zeit. Frühere Hinweise deuten auf eine Ausbildung oder Tätigkeit am Bauhaus, belegt ist ihre fotografische Arbeit ab 1933 im süddeutschen Raum.
Leben und Werk
Charlotte Grünert wurde 1896 in Meißen geboren. Über ihre fotografische Ausbildung ist bislang wenig bekannt; einzelne Quellen deuten auf eine Verbindung zum Bauhaus in den frühen 1930er-Jahren hin. Ab 1933 lebte und arbeitete sie in Jestetten (Landkreis Waldshut, Baden-Württemberg).
Obwohl sie dort in einem vergleichsweise abgelegenen Ort tätig war, existieren von ihr Fotografien, die höchste Kreise des NS-Staates zeigen – darunter eine Aufnahme von Hermann Göring mit Luftwaffengeneral Hans Jeschonnek. Der Zugang zu solch exklusiven Motiven erscheint auf den ersten Blick ungewöhnlich.
Eine mögliche Erklärung liefert ein nach dem Zweiten Weltkrieg von Grünert ausgefülltes Formular: Sie gibt dort an, in den Jahren 1941 bis 1942 bei dem Frankfurter Fotografen Hermann Harz „ausgeholfen“ zu haben. Harz war in dieser Zeit ein bedeutender Fotograf mit ausgezeichneten Kontakten zur NS-Propaganda.
Verbindung zu Hermann Harz
Hermann Harz (1906–1988) stammte aus einer traditionsreichen Frankfurter Fotografenfamilie. Er war insbesondere für seine Farbfotografien bekannt und veröffentlichte 1943 den Bildband „Das Erlebnis der Reichsautobahn“, herausgegeben vom Reichsministerium Speer. Das Werk wurde Albert Speer und dem Andenken an Fritz Todt gewidmet und zeigt Harz’ privilegierten Zugang zu Propagandamitteln und Machteliten des NS-Staates.
Ein bemerkenswerter Abschnitt des Buches dokumentiert die enge politische Aufladung des Bildwerks:
„Dem Schöpfer der Reichsautobahnen Reichsminister Dr. Ing. Fritz Todt Zum Gedächtnis -- Als Dr. Todt am 4. September 1941 seinen fünfzigsten Geburtstag beging, übergab ihm die Gesamtgefolgschaft der ‚Reichsautobahnen‘ eine Mappe ausgewählter Farbaufnahmen der fertigen Strecken zum Geschenk. Lichtbildmeister Hermann Harz, Frankfurt am Main, hatte sie auf weiten Fahrten an sonnigen Tagen gesammelt, der Dichter Herybert Menzel hatte als Einleitung dazu das Erlebnis der Reichsautobahnen beschrieben. Die Blätter sind ein Dokument der Dankbarkeit treuer und begeisterter Mitarbeiter am Werk. Mit Genehmigung der Familie Todt werden sie zum 8. Februar 1943, an dem uns vor einem Jahr durch einen tragischen Unfall Dr. Todt entrissen wurde, dem deutschen Volk übergeben. ALBERT SPEER“
Auch in anderen Publikationen, wie dem Farbbildband „Petsamo – Lagoda. Volk und Landschaft zwischen Finnland und Russland“ (1940), verband Harz ideologische Themen mit fotografischer Innovation. Bereits ab 1936 arbeitete er mit dem Farbfotografie-Verfahren Duxochrom und stellte ab 1940 öffentlich aus (u. a. im Modeamt der Stadt Frankfurt, Neue Mainzer Straße).
Vor diesem Hintergrund erscheint es plausibel, dass Charlotte Grünert über ihre Tätigkeit bei Harz temporär in Kontakt mit hochrangigen Kreisen kam oder im Rahmen seines Netzwerks entsprechende Aufträge erhielt.
Werk und Rezeption
Eine systematische Aufarbeitung von Charlotte Grünerts fotografischem Werk steht bislang aus. Bekannt sind sowohl Porträts als auch dokumentarische Aufnahmen mit teils politisch-propagandistischem Kontext. Ihre Fotografien aus der NS-Zeit werfen Fragen nach Rolle, Auftraggebern und Selbstverständnis auf, die künftig weiter untersucht werden sollten.
Literatur
- Albert Speer (Hrsg.): Das Erlebnis der Reichsautobahn. Ein Bildwerk von Hermann Harz. Mit einer Einführung von Herybert Menzel. Herausgegeben vom Reichsministerium Speer. Verlag D.W. Callwey, München, o. J. [1943].
- Hermann Harz: Petsamo – Lagoda. Volk und Landschaft zwischen Finnland und Russland. Farbbildband, 1940.
- Ausstellungshinweis: Erste Farbfotografie-Ausstellung der Welt in Frankfurt am Main. Stadtchronik 11.2.1940, Institut für Stadtgeschichte Frankfurt. [1]
Quellen
- Prof. Dr. Rolf Sachsse, HBK Saar
- Konrad Schlude, E-Mail an das FotografenWiki vom 15. April 2025